Kommentar zur aktuellen Ernte

Dr. Josef Rampl informiert die Mitglieder über die diesjährigen Herausforderungen der Ernte 2023.

Dr. Josef Rampl
Kommentar, August 2023

Sehr geehrte Mitglieder,

 

dieses Jahr haben wir es mit einer beileibe nicht einfachen Ernte zu tun. Die Weizenpartien, die bislang geerntet wurden, zeigen deutlich schwächere Proteinwerte als im letzten Jahr. Die Mühlen berichten von erheblich geringeren Mengen, die auch wirklich A-Weizen oder E-Weizenqualität erreichen. Die Herausforderungen in dieser Ernte für die Mühlen sind groß und vielfältig.

 

Herausforderung I der Ernte 2023 – Die Proteinwerte

Es war im Juni zu trocken, sodass die Spätdüngung entweder erst gar nicht gestreut oder von der Pflanze nicht aufgenommen werden konnte. Die hohen Düngemittelpreise und die gesunkenen Getreidepreise haben ebenfalls zu einem sparsamen Umgang mit Dünger geführt. Die Düngeverordnung in Kombination mit den trockenen Witterungsverhältnissen im Juni hinterlassen deutliche Spuren bei den Proteinwerten. Erste Ergebnisse aus der Erfassung zeigen aber, dass es in diesem Jahr besonders ratsam sein kann nicht nur die Proteinwerte zu messen, sondern auch den Kleber auszuwaschen und zu beurteilen. Viele Partien schneiden hier deutlich besser ab, als man aufgrund der Proteinwerte erwarten könnte. Der Aufwand für die Mühlen ist heuer besonders groß
und die unterschiedlichen Qualitäten bereiten viel Arbeit bei der Beurteilung und Separierung.


Herausforderung II der Ernte 2023 – Die Fallzahl

Mit Blick auf das Regenradar breiten sich bei Landwirten und Müllern Sorgen um die Fallzahlen aus. Die täglichen Regenfälle in Etappen im
Wechsel mit Sonnenschein führen dazu, dass uns erste Bilder mit deutlichen Auswuchsschäden erreichen. Vor allem jener Weizen und Roggen, der vor dem Einsetzen des unbeständigen Wetters bereits
druschreif war, ist davon betroffen. Derzeit wird jedes noch so kleine Erntefenster von den Landwirten genutzt. Der Erntefortschritt ist aber auf das Bundesgebiet gesehen sehr unterschiedlich. Im Süden der
Republik sind rund 70 Prozent des Weizens gedroschen, wohingegen in Norddeutschland aufgrund des
späteren Reifezeitpunktes zum Teil erst 10 Prozent des Weizens vom Feld geholt wurden. Bis Mitte nächster Woche ist weiterhin unbeständiges Wetter vorhergesagt, sodass das Bangen um die Backfähigkeit
anhalten wird. Es ist bei den nun angelieferten Partien ratsam die Fallzahlmessungen im engen Rhythmus durchzuführen. Betriebe, die aufgrund ihrer Silokapazitäten gut trennen und separieren können, sind dieses Jahr wieder deutlich im Vorteil.


Herausforderung III der Ernte 2023 – Die Preisentwicklung

Der Ukrainekrieg hält die Getreidemärkte immer noch in Atem. Das Getreideabkommen wird zum Spielball des internationalen Machtpokers. Dabei geht es weniger um die Sache als mehr um knallharte geopolitische Interessen. Dies bereitet der aufnehmenden Hand Sorgen, weil sie mitten in der Erntekampagne mit starken
Preisschwankungen zurechtkommen muss. Durch das auf und ab der Märkte steigt das Preisänderungsrisiko für Lagerbestände sowie das Preisabrechnungsrisiko. Zudem wird die Kontrakttreue von Lieferanten und Kunden auf die Probe gestellt. Was aber auch klar ist: Die Getreidemengen der Ukraine werden durch die Blockade des Seewegs nun vermehrt über und nach
Europa zum Export kommen. Die Ware wird den Weg aus der Ukraine finden, wenn nicht auf dem schlagkräftigen Seeweg, dann vermehrt über den Landweg per LKW und Bahntransport.

 

Neben den Herausforderungen gibt es auch Erfreuliches

Insgesamt wird davon berichtet, dass die Erträge besser ausgefallen seien, als erwartet. Erfreulich ist auch, dass die Mühlen bislang von einer sehr geringen DON und Mutterkornbelastung bei Roggen und Weizen berichten. Auch die Hektolitergewichte und die Kornausbildung werden als gut beschrieben.
Die Ernte steckt jedes Jahr voller Herausforderungen – in diesem Jahr besonders!


Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Josef Rampl